„Vor allem bedrückt und bewegt uns die Erkenntnis, dass das Aufbrechen des Schweigens, die erfolgreich hergestellte Öffentlichkeit und die Ermutigung der Betroffenen, Schutz und Hilfe für einen Neubeginn zu suchen, anscheinend keine Verringerung der Gewalt bewirkten.“ Carol Hagemann-White
_____Künstlerinnengruppe Maria Mathieu, Renate Bühn, Heike Pich_____
Wir sind drei Künstlerinnen aus Bremen, die nun schon seit 13 Jahren an dem gemeinsamen Ausstellungsprojekt mit dem Titel "Was sehen Sie, Frau Lot?" zusammenarbeiten.
Betroffene Frauen und Frauenbewegungen trugen das Wissen um demütigende, zerstörerische, sexualisierte Gewalt in politische Öffentlichkeiten und haben immer wieder gesellschaftliche Erklärungsnot und politischen Handlungszwang erzeugt. In vielen europäischen Ländern sind Hilfs- und Beratungsangebote entstanden.
Dennoch: 30 Jahre Öffentlichkeit und Schweigen brechen, 30 Jahre Wissen um Ursachen und Ausmaß von sexualisierter Gewalt an Mädchen und Jungen = sind 30 Jahre ohne angemessene Konsequenz aus der Schlussfolgerung, dass das Ausmaß der Betroffenen auf das Ausmaß der Täter und davor verschließen wir die Augen nicht, Täterinnen verweist. Wie ist das möglich? Bleibt die Wahrnehmung der sexualisierten Gewalt unerträglich?
Akzeptanz, Schutz und Integration der Täter/ Täterinnen (10-20%), erstickende Realität, alltäglich.
Diese subtile Alltäglichkeit sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft erfährt in unseren Werken Transparenz. Mit unseren Installationen und Objekten suchen wir beständig nach einer künstlerischen Form der Sichtbarkeit und Sprache, um eine breite Öffentlichkeit mit neuen Impulsen zum Hinsehen Wahrnehmen und Handeln zu ermutigen und zu sensibilisieren. Denn: Jede_jeder kennt Betroffene, jede_jeder kennt Täter/ Täterinnen.
Wir präsentieren unsere Arbeiten zum Thema "sexualisierte Gewalt" in der Gewissheit, dass wir damit einen Beitrag zu dem Auftrag leisten, den die Kunst unseres Erachtens hat, nämlich gesellschaftspolitisch Stellung zu beziehen. Kunst als persönlich-politischer Ausdruck von unserem Leben mit sexueller Gewalt und Täterschutz. Kunst als eine Form des Widerstands, als eine Form Sprache zu finden und sichtbar zu machen, was zu leicht und zu gerne übersehen und bagatellisiert wird:
- Das Grauen und gleichzeitig die alltägliche Normalität der Gewalt
- Den gesellschaftlich verankerten Täterschutz
- Die Verletzungen, aber auch der Überlebensmut und die Stärke der Betroffenen
Öffentlichkeit trägt dazu bei, dieses Schweigen zu brechen. Wir wünschen uns, dass Konsequenzen gezogen werden und Veränderung möglich ist, hin zu einer Gesellschaft, in der Kinder geschützt aufwachsen können und Täter, Täterinnen zur Verantwortung gezogen werden. Wir wünschen uns, dass immer mehr Menschen den Mut haben, hinzuschauen, Position zu beziehen und Mädchen und Jungen nicht nur darin unterstützen, ihr Schweigen zu brechen, sondern hinhören, zuhören und Auswege anbieten.
In der Veränderung der Isolierung der Betroffenen, dem beständigen
Erinnern und Auflösen des Schweigens liegen die Veränderungspotentiale
dem Kreislauf der Gewalt eine Ende zu setzen. Handlung beginnt dort, wo
die eigene Geschichte, das eigene Tun, die eigenen Ängste und das eigene
Schweigen hinterfragt werden. Unsere Ausstellung ist ein Beitrag dazu.
Unsere Idee ist auf dem Weg:
Seit dem ersten Ausstellungsprojekt in Bremen im September 2001 haben bereits 50.000 Menschen in 19 Städten die Ausstellung besucht. Die Ausstellungsorte waren in jeder Stadt andere, aber stets wurden die Arbeiten in repräsentativen öffentlichen Räumen gezeigt, die auf symbolischer Ebene unterschiedliche Bereiche unserer Gesellschaft verkörpern, häufig waren es z.B. Kirchen, Museen, Rathäuser, aber auch Abrissgebäude und die Einbeziehung des Außenraums. Unsere Arbeiten verändern sich mit dem Ort und den Raumsituationen. Die installativen Arbeiten nehmen unweigerlich Bezug zu dem Raum in dem sie gezeigt werden, ist doch der Raum immer formaler Bestandteil einer Installation. Eine Ausstellung also, die seit ihrer ersten Präsentation in der Rathaushalle in Bremen ein andauernder work in progress ist. Auf jeder Station ändert sich etwas, wird entfernt, neu konzipiert - es entstehen neue Arbeiten, die in das Konzept älterer Arbeiten eingreifen und die Ausstellung weiterentwickeln.